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European Union

Sammelklagen in der EU- Fluch oder Segen für den Verbraucherschutz????????

Bericht zur Podiumsdiskussion am 18. Juli 2017 im Rathaus Augsburg?

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Der Abgasskandal zieht immer weitere Kreise: Falls die Dieselfahrzeuge nicht bis Ende des Jahres nachgerüstet werden, droht nun sogar die EU-Kommission mit Fahrverboten. Was bedeutet das am Ende für die Rechte der Verbraucher? In den USA sind durch die M?glichkeit von Sammelklagen (?Class Actions“) bereits L?sungen für die Kunden gefunden. Helfen solche Mechanismen auch in Europa oder sind diese eher eine Gefahr? ?ber Fluch oder Segen solcher Instrumente diskutierten leidenschaftlich fünf Experten aus Wissenschaft und Praxis aus Berlin, München, Konstanz und Augsburg im Augsburger Rathaus am 18.7.2017. Eingeladen dazu hatte das, von der Europ?ischen Union gef?rderte und unter der Leitung von Prof. Dr.?Thomas M.J. M?llers?stehende, Jean-Monnet Exzellenzzentrum INspiRE (European Integration – Rule of Law and Enforcement) der Juristischen Fakult?t der Universit?t Augsburg in Kooperation mit der Europa-Union Augsburg und dem europe direct Informationszentrum der Stadt Augsburg.

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In seiner Einführung zum Thema Sammelklagen stellte Professor Dr. Thomas M.J. M?llers dar, dass K?ufer der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Deutschland jeweils individuell Prozesse gegen die Autohersteller führen und die Gerichtsurteile im Hinblick auf die M?ngelrechte sehr unterschiedlich ausfallen, obwohl die Ausgangslage, also die Manipulation der Abgasanlage, immer dieselbe ist. Jeder einzelne Kl?ger muss für sich entscheiden, ob er das Prozessrisiko (ggf. über mehrere Instanzen) eingeht. Dabei k?nnen Gerichts- und Anwaltskosten in H?he von mehreren Tausend Euro entstehen. Die Unsicherheit des Klageerfolgs scheuen viele Verbraucher und legen gar keine rechtlichen Schritte gegen das sch?digende Unternehmen ein, wodurch ein Defizit in der Rechtsdurchsetzung entsteht.

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M?llers zeigte auf, dass es in bestimmten Rechtsgebieten in Deutschland bereits prozessuale Modelle gibt, die ein solches Rechtsdefizit beseitigen sollen. Beispielsweise k?nnen Verbraucherschutzverb?nde mit Unterlassungsklagen gegen unlautere Allgemeine Gesch?ftsbedingungen vorgehen und so für Rechtsschutz aller von den Klauseln betroffenen Verbraucher sorgen.

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Mehrere Kapitalanleger k?nnen sich nach dem?Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) bei der Verletzung von Publizit?tsplichten am Kapitalmarkt einem Musterverfahren anschlie?en, sodass die Feststellungen des Gerichts im Musterentscheid für alle ?Musterkl?ger“ einheitlich gelten und der Musterentscheid Bindungswirkung für den weiteren Fortgang der einzelnen Verfahren entfaltet. So k?nnen bestimmte Tatsachen- und Rechtsfragen für viele Kapitalanleger eines einheitlichen Falles gebündelt und einheitlich entschieden werden. Aber auch ein solches Musterverfahren hat Defizite. Das so genannte Telekom Verfahren (OLG Frankfurt, 23 Kap1/06) mit über 17.000 Kl?gern zog sich über viele Jahre hin. Der erwartete prozessbeschleunigende Effekt des Musterverfahrens blieb aus. Zudem muss die individuelle H?he eines etwaigen Schadensersatzes weiterhin von jedem Kl?ger einzeln in einem Gerichtsverfahren verfolgt werden.

Die Vor- und Nachteile von kollektivem Rechtsschutz beleuchteten auf dem Podium anschlie?end Dr.?Beate Czerwenka?vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz,?Florian Popella, zust?ndig für Grundsatzfragen bei bayme vbm, Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Prof. Dr.?Astrid Stadler?vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universit?t Konstanz, Dr.?Ottmar Lell?vom Verbraucherzentrale Bundesverband und Prof. Dr.?Thomas M.J. M?llers. Die Moderation übernahm?Thorsten Frank, Vorsitzender der Europa-Union Augsburg e.V.

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In der Politik wird das Thema Gruppenklagen immer wieder diskutiert. Die Europ?ische Kommission ver?ffentlichte eine Empfehlung zu kollektivem Rechtsschutz in Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren (KOM 2013/396/EU). Vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wurde kürzlich ein Referentenentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage vorgelegt.

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Kollektivklagen k?nnen die Gerichte entlasten, die sonst drohen in einer Klageflut unterzugehen. Die Hürde des individuellen Prozessrisikos für einzelne Kl?ger ist wesentlich geringer als bei einer Einzelklage. Zudem verringert sich der Effekt des rationalen Desinteresses. Ein hohes Kostenrisiko bei einer relativ geringen Schadensh?he des Einzelnen hindert viele Verbraucher in vielen F?llen daran, ihren Schaden durch Einzelklagen geltend zu machen. Die durch die Sch?digung erwirtschafteten Gewinne verbleiben beim Unternehmen. Das Signal, dass Unternehmen bei unrechtm??igem Verhalten sogar Vorteile haben k?nnen, sollte in Zukunft vermieden werden. Diese Lücke bei der Rechtsdurchsetzung wird durch kollektiven Rechtsschutz kleiner, da die Betroffenen einfacher und mit weniger Kostenrisiko ihr Recht geltend machen k?nnen und sich so auch bei geringerer Schadensh?he einer Klage anschlie?en.

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Die Experten blickten auch auf die Rechtslage in anderen Nationen. Insbesondere in den USA bieten Class Actions den Verbrauchern ein effektives und relativ schnelles Mittel, um ihren Schaden zu kompensieren. Jedoch wurde darauf hingewiesen, dass die Rechtslage in den USA ein erhebliches Missbrauchspotential biete und der Druck auf die Unternehmen, Vergleiche zu schlie?en, sehr gro? ist, da sonst die Gefahr eines hohen Strafschadensersatzes droht. Zudem ist die Prozessführung teuer. Jede Partei muss ihre Kosten selbst tragen.

?berschie?endes Recht ist in Europa zu vermeiden. Es darf keine Klageindustrie geschaffen werden, die die Unternehmen teilweise mit überzogenen Forderungen konfrontiert und in die Insolvenz führt.

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Die Drohkulisse amerikanischer Verh?ltnisse in Europa, die von Gegnern des kollektiven Rechtsschutzes regelm??ig als Hauptargument genutzt wird, ist jedoch überzogen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Europa, insbesondere in Deutschland, unterscheiden sich wesentlich zu denen der USA. Gerade ein (oft überh?hter) Strafschadensersatz ist der deutschen Rechtsordnung fremd.

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Zu beobachten ist, dass in den letzten Jahren in vielen anderen europ?ischen Mitgliedstaaten wie Frankreich, Italien, Niederlande und Gro?britannien kollektiver Rechtsschutz in ganz unterschiedlichen Formen eingeführt wurde. Deutschland hinke hier wesentlich hinterher.

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Kernpunkt der Diskussion war vor allem das Spannungsverh?ltnis zwischen einem effektiven Verbraucherschutz und dem Interesse der Unternehmen, nicht mit einer unberechtigten Klageflut überh?uft zu werden. Bei dieser Frage gingen die Experten auf m?gliche L?sungswege ein und suchten nach einem Mittelweg. Die Interessen der Verbraucher und der Unternehmen müssen bei der Schaffung neuer kollektiver Klageverfahren in Ausgleich gebracht werden. Die Vor- und Nachteile verschiedener Klagemodelle wurde diskutiert, u.a. wurden Gruppenklagen, Vertreterklagen, Opt-in und Opt-out Modelle genannt. Sowohl auf nationaler als auch auf europ?ischer Ebene muss eine L?sung für kollektiven Rechtsschutz erarbeitet werden, um dem Wettbewerb der Rechtsordnungen standhalten zu k?nnen. Bei der Schaffung von neuen kollektiven Klageformen muss darauf geachtet werden, dass die bei anderen Verfahrensarten aufgezeigten Defizite minimiert werden. Die Verfahrensdauer im Kollektivrechtsschutz muss verkürzt werden.

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M?llers fasste die Gedanken abschlie?end zusammen: Ziel von Sammelklagen dürfe es nicht sein, Unternehmen zu sch?digen. Es muss jedoch m?glich bleiben, einen durch rechtswidriges Verhalten eines Unternehmens erwirtschafteten Gewinn abzusch?pfen, der auch über den reinen Schadensersatz hinausgehen kann. Die Grenze von exorbitanten Strafzahlungen, wie wir sie aus der US-amerikanischen Rechtsprechung kennen, dürfe hierbei allerdings nicht erreicht werden. In diesem Punkt waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig.

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Foto: privat

? 26.07.2017? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ??

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